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Zeitgleichung (Äquation)

Hallo liebe Taschenuhrfreunde,
Früher richtete sich die Zeit nach der Sonne. Stand die Sonne am höchsten Punkt so war es zwölf Uhr. Es stellte sich heraus, dass nicht stets die exakt selbe Zeitspanne von Sonnenhöchststand bis Sonnenhöchststand vergeht. Mal ist es eine kürzere, mal eine längere Zeitspanne. Je nach Jahreszeit waren die Stunden daher länger oder kürzer. Das liegt daran, dass sich die Erde in einer elliptischen, nicht runden Bahn um die Sonne dreht. So sind Erde und Sonne mal näher, mal weiter voneinander entfernt (Keppler). Hinzu kommt, dass die Rotationsachse der Erde schräg steht. So ergibt sich, dass die Zeitspanne von einem zum nächsten Sonnenhöchststand unterschiedlich lang ist.

Exakt 24 Stunden dauert sie an nur vier Tagen im Jahr: am 15 April, am 13. Juni, am 1. September und am 25. Dezember. An allen anderen Tagen im Jahr ist die Zeitspanne mal länger, mal kürzer – am 11. Februar zum Beispiel über minus 14 Minuten und am 3. November über plus 16 Minuten. Diese Abweichung nennt man Zeitgleichung oder Äquation.
Äquation ist ein Wort, mit dem in unserer Zeit nur wenige, die sich für Zeitmessung interessieren, einen klaren Begriff verbinden. Es sei deshalb der Versuch erlaubt, das Wesentliche hierüber mitzuteilen.
Äquation heißt Gleichung, dieses Wort ruft den Gedanken an eine mathematische Gleichung wach. In unserem Fall hingegen sollte man an ausgleichen oder angleichen denken.

Uhren mit Zeitgleichung (Äquation)
Heute haben wir längst gleich lange Stunden und unsere Uhren zeigen in der Regel die Normzeit an, also die berechnete Mittlere Sonnenzeit – ein Mittelwert aller 365 Sonnentagslängen des Jahres, das aus immer gleich langen Tagen mit je 24 gleich langen Stunden besteht. Das war jedoch nicht immer so. Zur präzisen Regulierung einer Uhr musste regelmäßig eine Sonnenuhr zur Mittagszeit abgelesen werden und die Räderuhr wurde passend eingestellt. Zur Vereinfachung dieser Prozedur wurden auch mechanische Uhren, auch Taschenuhren, mit einer Sonnenuhr ergänzt. Hier z.B. eine Renaissance-Taschenuhr mit Wecker und Sonnenuhr und eine Türmchenuhr mit einer Sonnenuhr im Boden.
Bei anderen Uhren klebte man entsprechende Tabellen für die Zeitgleichung in das Gehäuse der Uhr oder es wurden diese Tabellen gleich im Gehäusedeckel eingraviert.
Auch bei Taschenuhren bestand ein Bedürfnis nach ähnlichen Einrichtungen. So wurden zum Beispiel auch watchpapers mit entsprechenden Tabellen der Äquation bedruckt und den Uhren beigegeben.
So ist z.B. hier von außen nach innen zu lesen:
Monat mit Anzahl der Tage (JAN XXXI)
1 8 15 22 29 (Datum)
4 7 10 12 14 (Äquation in Minuten)
SUN SLOWER
Mittig ist dann der Hinweis (marketing) auf den Uhrmacher zu sehen:
T. Penlington – Watchmaker - highstreet - SHEFFIELD -
buys old gold & silver
Es wurden aber auch Uhren gebaut, die diese Abweichungen mechanisch ermittelten und auf dem Zifferblatt anzeigten.
Wie bei Großuhren kann man auch in Taschenuhren einen Mechanismus unterbringen, welcher automatisch einen Zeiger bewegt, der die Zeitgleichung oder sogar die wahre Sonnenzeit angibt. Das wesentlichste Teil eines solchen Mechanismus ist die sogenannte (ellipsenförmige) Nierenscheibe. Diese dreht sich einmal im Jahr, der Rand wird abgetastet und über Hebel und entsprechende Rechen wird ein Zeiger oder eine Skala bewegt. Die verschiedensten Uhrmacher fanden die unterschiedlichsten Konstruktionen, um einen funktionierenden Mechanismus herzustellen.

Die Form dieser Nierenscheibe entspricht dem Diagramm, das man erhält, wenn man die positive oder negative Abweichung des Mittagszeitpunkts in Minuten gegenüber der Mittleren Sonnenzeit aufträgt, die als Kreis dargestellt ist.
Ist die Sonne 'zu schnell' liegt der Rand des Nierendiagramms innerhalb des Kreises der Mittleren Sonnenzeit, ist die Sonne 'zu langsam', so liegt der Rand des Nierendiagramms außerhalb des Kreises. An vier Stellen schneiden sich die Mittlere und die Wahre Sonnenzeit. An diesen vier Daten sind Wahre und Mittlere Sonnenzeit genau gleich (13.04. / 13.06. / 01.09. / 25.12.).

Grundsätzlich kann man unterscheiden:
a) Uhren, welche nur die wahre Sonnenzeit anzeigen,
b) Uhren, welche die mittlere Zeit und die wahre Sonnenzeit gleichzeitig anzeigen.
Zu diesem Zweck kann das Zifferblatt versehen sein mit einer zweiten beweglichen Minutenskala.
Diese Minutenskala der wahren Zeit kann auch auf einer Scheibe in der Mitte des Zifferblatts angeordnet sein
oder mit zwei gemeinsam umlaufenden Minutenzeigern, deren relative Winkelstellung zueinander der Zeitgleichung entsprechend automatisch verändert wird
oder mit zwei getrennten Zifferblättern.
c) Uhren, welche die mittlere Zeit und die Zeitgleichung anzeigen. Hier wird die Zeitgleichung durch einen Zeiger angegeben, welcher nicht umläuft, sondern nach links und rechts ausschlägt. Dieser Zeiger kann zentral mit den andern Zeigern oder auf einem Hilfszifferblatt angeordnet sein.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Uhr mit Äquation oder Zeitgleichung gibt somit die Abweichung der Wahren Sonnenzeit (die von der Sonnenuhr angezeigt wird, also wenn die Sonne am höchsten Punkt ist) von der Mittleren Sonnenzeit an.
Jetzt zur Beschreibung einer Uhr, die ich kürzlich bekommen konnte:
Es handelt sich hierbei um eine Uhr aus der Manufaktur Robert & Courvoisier aus Genf etwa 1790-1800. Das Gehäuse ist Silber vergoldet und misst 59,5 mm im Durchmesser, die Uhr wiegt 132 Gramm und ist intakt.

 

Das Zifferblatt aus weißer Email zeigt oben links das Tagesdatum (1-31) in 2er-Schritten , rechts oben ist die Skala der Monate in franz. Schreibweise. Unten mittig ist die größere Stundenskala (1-12) und die Minutenangabe (15-30-45-60). Darin befindet sich mittig das bewegliche zweite Stundenzifferblatt mit römischen Zahlen (I-XII), wobei sich die XII an der unteren Position zeigt (normal VI).

Alle Zeiger sind aus Gold, wobei die Besonderheit des Stundenzeigers hervorzuheben ist. Dieser Zeiger ist so ausgeformt, dass die längere Seite mit der Pfeilspitze auf die äußere Stunde weist. Der „Schwanz“ ist als Sonnenzeiger gestaltet und weist auf die „römische Stunde“ des beweglichen Zifferblattes. Zur Wirkungsweise dieses Zeigers später mehr, wenn ein Blick auf die Zifferblatt-Unterseite erfolgt ist.

Die Werkansicht bietet das typische Bild einer Genfer Uhr aus der Zeit um 1800: glatte, feuervergoldete Fläche mit der Signatur Robert & Courvoisier, Brücke mit drei sich wiederholenden Rocaillenmotiven, dreischenkelige Messingunruhe, silberne Regulierscheibe. Das Werk ist mit Zylinderhemmung, Federhaus, Kette und Schnecke ausgestattet.

Die Unterzifferblatt-Ansicht ist im Bild und erklärt sich selbst. Die ellipsenförmige Scheibe wird täglich geschaltet und dreht sich im Jahr einmal. Über den Abtasthebel wird diese Ungleichmäßigkeit mit Hilfe des Rechens auf das innere, bewegliche Zifferblatt übertragen. Es entsteht so im Laufe des Jahres eine Hin- und Herbewegung.

Auf der Zifferblattseite ist diese Hin- und Herbewegung besonders gut abzulesen jeweils um 12 Uhr : der Minutenzeiger steht auf 60 Minuten, der Stundenzeiger weist auf die 12 und der Sonnenzeiger vier Mal im Jahr auch präzise auf die XII (siehe oben 15.4. + 13.6. + 1.9. + 25.12.). An allen anderen Tagen des Jahres zeigt der Sonnenzeiger die Abweichung in Minuten jeweils rechts oder links von der XII (siehe Tabelle oder watchpaper). Und genau diese Abweichung ist die ÄQUATION.
Meine Recherchen zu diesen Uhren haben einige Beispiele in den Auktionen der großen Versteigerungshäuser erbracht. Dort haben die unterschiedlichsten Ausfertigungen zu den extremsten Preisen den Besitzer gewechselt.
Wer sich mit diesem Komplex näher beschäftigen will, hat hier noch einige Literaturhinweise:
Reinhard Meis – Die alte Uhr I + II
Anton Lübke – Das große Uhrenbuch
Abeler – Ullstein Uhrenbuch
DGC – Jahresschrift 2002
Alte Uhren – 3/1989
AHS – Number one Spring 1995 und Number two December 1999

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