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Englische Spindeltaschenuhr mit Datum und Wecker
aus der Zeit vor der Unruh-Spiralfeder
Thomas Dyde, London ca. 1660


Allgemeines:
In der Entwicklungsgeschichte der englischen Taschenuhren kann man um 1650 eine Zunahme der Größe feststellen. Die runde Form setzt sich endgültig gegenüber der ovalen durch und dadurch bedingt sind diese Stücke besser tragbar. Das auf dem Kontinent vorherrschende florale Dekor wurde übernommen und blieb in dieser Dekade (1650-60) überwiegend. Die Blumenmotive wurden voluminöser und offener gestaltet, allerdings blieben die mit Leder bezogenen Übergehäuse in ihrem Muster weiterhin formal ausgeführt und die Formen wiederholen sich oft.
Bedingt durch die Größe der Uhrgehäuse konnten u.a. auch bessere (Höhe und Stärke) Antriebsfedern verarbeitet werden, so dass die Laufzeit auf 24 Stunden und mehr ausgedehnt wurde. Das etwa 6-stündige regelmäßige Aufziehen konnte damit entfallen und diese Tätigkeit wurde nur noch 1 x täglich durchgeführt.
Wichtig wurde aus diesem Grund auch die Erfordernis einer Kette als Ersatz für die Darmsaite bei der Übertragung der Kraft der Feder auf die Schnecke. Die Darmsaiten waren nicht haltbar genug und fanden keine Verwendung mehr.
Bei den Themen der Gehäusedekoration wurden die mythologischen und religiösen Themen von naturalistischen, insbesondere Blumenmotiven abgelöst. Dabei dominierten die offenblütigen Tulpen besonders.
Die Gehäuse sind fast ohne Ausnahme aus Silber gefertigt, die Pendants sind kugelrund in dieser Epoche. Aufgrund der Gehäusegröße war es leicht, einen Wecker oder ein Selbstschlagwerk einzubauen.
Auf die Zifferblätter kamen jetzt auch Datumsringe am Rand, die Stellscheibe im Zentrum war für die Weckzeit vorgesehen. Bei der vorliegenden Uhr ist beides vereint, was relativ selten war. Mir selbst sind derzeit weitere Exemplare nicht bekannt. Die englischen Uhren besaßen Metallzifferblätter im Unterschied zu den „modernen Email-Zifferblättern“ auf dem Kontinent. Ausnahmen bildeten die Uhren mit kompletten Email-Gehäusen, dort waren auch Email-Zifferblätter anzutreffen.
Für das sichere und einfache Stellen des Stundenzeigers war dieser mit einem längeren „Schwanz“ ausgestattet. Bei dieser Uhr ist der Stunden-Zeiger gekappt und auf der Weckerscheibe bei der 12 angebracht. Als Gegenpol dient ein kleiner Stift bei der 6. Erst in den 1670er Jahren wurde der Stundenzeiger kürzer, dafür die Zeigerachse als Vierkant länger und mit einem Schlüssel wurde die Zeit eingestellt.
Bei der Ansicht der Werksplatine fällt die neue Form der Unruhbrücke (engl. cock) auf, die jetzt einen kleineren Fuß aufweist und nach dem Aufstecken auf einen Klotz nun verschraubt wird. Die Werkspfeiler (pillars) sind überwiegend in Tulpenform, auch mit kleinen Abwandlungen, gearbeitet.
Die eigentliche Aufgabe der Uhr, die Zeitmessung, war bei gut regulierten Uhren bei weniger als 5 Minuten Abweichung pro Aufzug angelangt. Der nächste Schritt der Verbesserung der Zeitnahme erfolgte bei der folgenden Generation der Taschenuhren. Die Erfindung und die Einführung der Spiralfeder für die Unruhe, in deren Folge die Minuten- und Sekundenanzeige immer häufiger wurden, bedeutete einen weiteren Schritt in der Uhrmacherei.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gehäuse:
silbernes, durchbrochenes Bassingehäuse, der Rand und die Gehäuserückseite sind verziert mit Blüten und Ranken, in der Gehäuseschale mit einer Schraube befestigt die Schlagwerksglocke. Silbernes Übergehäuse lederbezogen mit Silbernägeln in Form von stilisierten Blüten und Früchten verziert, der Rand weist Schalllöcher für den Glockenschlag auf.

Zifferblatt:
Silbernes Zifferblatt mittig verziert mit gravierten, floralen Mustern, mit gebläutem Stahlzeiger für die Weckzeit, auf dem entsprechenden Ring ist der gekürzte Stundenzeiger bei der Zwölf fest angebracht. Danach folgt nach außen hin der silberne Stundenring mit Anzeige von schwarzen, römischen Zahlen, die Halbstundenanzeige durch Blattmotive, über den jeweiligen Stunden sitzen kleine Tastköpfe. Weiter folgt nach außen hin der Messingring mit dem herzförmigen Zeiger für den Monatstag (1-31), die Skala ist auf einem Silberring in arabischen Zahlen graviert.

Werk:
feuervergoldetes Vollplatinenwerk im Gehäuse mit Scharnier bei der Zwölf befestigt, Pfeiler in früher Tulpenform, filigran gestaltete, vergoldete Spindelbrücke mit recht kleinem Fuß im Stil der Renaissanceuhren, aus Messing und Silber kombinierte Unrast mit zwei Schenkeln, sehr frühe silberne Regulierscheibe an der Endlosschraube für die Federvorspannung, Antrieb über Feder mit Darmsaite und Schnecke, Spindelhemmung, goldene Durchbrucharbeiten als Schmuckelement für das Federhaus des Weckerwerkes.
Signatur Tho= Dyde Londini.

Maße:
Höhe 72 mm (ohne Pendant 59 mm), Breite 59 mm, Dicke 34 mm

Thomas Dyde (1635-1686)
Thomas Dyde wurde 1635 in Draycott in der Nähe von Chipping Campden Gloucestershire geboren Im Februar 1648 begann er bei der Blacksmiths' Company unter John Warfield eine Lehre. Bis 1655 arbeitete er für Warfield, auch noch als Geselle.
Dyde war dafür bekannt, unabhängig und für sich selbst gearbeitet zu haben. Der Clockmakers' Company ist er nie beigetreten, doch war er dort bekannt und wurde anscheinend von ihnen akzeptiert, wie sein Lehrmeister John Warfield auch. Ein seltener Umstand, zumal die Clockmakers' Company in der Regel versucht, Nicht-Mitglieder, die das Handwerk ausüben dazu zu bewegen der Gesellschaft beizutreten und nicht selten unter Druck setzten. Dies scheint bei Warfield und Thomas Dyde nicht der Fall gewesen zu sein. Im Dezember 1686 starb Thomas Dyde.
Weitere Einzelheiten zur Familiengeschichte siehe „Clockmakers of Britain“.

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