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Vorstellung einer frühen Spindeluhr mit Stundenschlagwerk

 

Beim Herangehen an Kunstwerke oder Kunsthandwerksgegenständen suche ich zuerst immer nach Stempeln, Punzen oder Signaturen, um mir einen ersten Überblick zu verschaffen. Bei der hier vorzustellenden Uhr erkenne ich auf der Werksplatine die Signatur *Michaell Pfaundler* und eine erste Recherche verweist auf:  *Gemessene Zeit / Uhren in der Kulturgeschichte Schleswig-Holsteins - Katalog zur Ausstellung mit Meisterverzeichnis von 871 Uhrmachern aus Schleswig-Holstein*. Unter anderem wird auf eine Expedition von Gottorf nach Moskau und Isphahan in Persien hingewiesen.

Herzog Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf versuchte auch eine Handelsroute nach Russland und Persien zu finden, die nicht um Afrika herumführte. Aus diesem Grund entsandte er am 6. November 1633 von Hamburg aus eine Expedition nach Moskau. Die Leitung hatten der Kaufmann Otto Brüggemann und der herzogliche Rat Philipp Crusius. Sekretär der 34 Personen umfassenden Expedition war Adam Olearius. Am 14. August 1634 traf die Delegation in Moskau ein. Zwar gelang es nicht, mit Zar Michael I. ein Handelsabkommen zu schließen, doch wurde sofort nach der Rückkehr der Delegation am 6. April 1635 nach Schloss Gottorf mit der Vorbereitung der nächsten Expedition begonnen. Diese sollte an den Persischen Hof nach Isfahan führen. Die Leitung lag wieder in den Händen von Brüggemann. Mitglieder der Delegation waren, neben dem Sekretär Olearius, unter anderem Johann Albrecht von Mandelslo, Michael Pfaundler von Insprug aus Tyrol/Uhrmacher,  Hans Christoph von Uechtritz und Paul Fleming. Am 22. Oktober 1635 begann die Reise in Hamburg. Über Moskau und nach einem Schiffbruch im Kaspischen Meer erreichte die Expedition am 3. August 1637 Isfahan. Aufgrund des selbstherrlichen Verhaltens der Mitglieder der Delegation wurde die Reise ein totaler Fehlschlag. Am 21. Dezember musste die Expedition unverrichteter Dinge wieder abziehen. Am 1. August 1639 erreichte sie wieder Gottorf. Der Leiter Brüggemann wurde alleine für das Scheitern verantwortlich gemacht, des groben Amtsmissbrauchs angeklagt und zum Tode verurteilt. Die öffentliche Hinrichtung erfolgte am 5. Mai 1640. Mit Brüggemann waren auch Friedrichs Handelspläne beerdigt.

Soweit die Kurzfassung der ersten Recherche, die danach zu einem Reisebericht führt, den der oben aufgeführte Adam Olearius verfasste. Darin sind auf über 900 Seiten unglaublich anschaulich alle Begebenheiten dieser Reise geschildert.

So wird auf Seite 76 aufgeführt, welche Geschenke beim Einzug in Moskau dem Zaren gemacht wurden: unter Punkt 11 der Liste eine Uhr in Ebenholz mit Silber beschlagen >>>

In der Reisebeschreibung auf  Seite 112 wird u.a. Michael Pfaundler von Insprug aus Tyrol/Uhrmacher genannt. In dieser Aufzählung kommen alle Mitreisenden namentlich mit Beruf und Herkunft vor.

 

Die Aufgaben eines Uhrmachers auf solchen Expeditionen waren offenbar vielfältig. So mussten die mitgeführten Uhren gestellt und gewartet werden. Ebenso gehörte die Pflege der als Geschenk vorgesehenen Uhren zu den Pflichten. Im Reisebericht wird auch auf die Herstellung eines Astrolabiums hingewiesen mit der entsprechenden Einweisung in der Handhabung für den Beschenkten.

Auf Seite 486 im Bericht ist dazu vermerkt:

Bei einem Schiffsunglück, bedingt durch extrem starken Sturm, kam unter anderem *das grosse Kunst Uhrwerck* in der Ostsee zu Schaden, wie auf Seite 622 zu lesen ist:

Weitere Geschenke kommen in der folgenden Aufzählung vor, so auch feine Uhren. Hier ein Auszug der Seite 623>>>:

 

Auf den Seiten 639 und folgende wird vom Schicksal eines anderen Uhrmachers berichtet – aber lest bitte selbst >>>

 

Die "Deutsche Uhrmacherzeitung" von 1940 berichtet in der ersten Ausgabe:
Der aus Innsbruck gebürtige Michael Pfaundler (Pfundler) hatte als Stadtuhrmacher von Riga die Pflicht, die Uhren der St. Petri-, Dom- und Jesuskirche sowie des Rathauses zu bedienen. Die Tatsache, daß er nicht nur gut entlohnt wurde, sondern auch „bürgerlichen Sitz" genießen und Frei von allen Stadtabgaben sein sollte, deutet auf die hohe Wertschätzung hin, deren sich die Uhrmacher damals in Riga erfreuten. Im Jahre 1646 erhielt er von dem Reichskanzler Oxenstierna den Auftrag, für die Stadt Wenden in Livland eine große Schlaguhr anzufertigen.

Als Schreibweisen des Namens werden auch (s.o.) Pfundler, Pfündler und Pfreundler angegeben.

Die Quelle für den Bericht ist wohl hier zu finden, und es findet sich noch eine weitere Schreibweise:
Erst vom Januar 1642 datirt eine Notiz darüber, dass die Uhr (Seyer) auf dem Rathhause 246 Rthlr. 51 Groschen gekostet hatte. Es wird damals wohl gerade eine neue Uhr, vielleicht die erste, angeschafft worden sein, denn so wird erklärt, dass in der am 1. November 1643 ausgefertigten Bestallung des neuen Stadtuhrmachers Michael Pfaundler (Pfändler, Pfendler) aus Innsbruck in Tirol diesem nicht nur die von seinem Vorgänger bereits getragene Verpflichtung der Aufsicht über die Seiger und Uhrwerke zu St. Peter und im Dom, sondern auch die Verpflichtung zur Aufsicht über die Seiger und Uhrwerke auf dem Rathhause und auf der Jesuskirche auferlegt wird.

Entnommen ist der Text hier:
Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands,
herausgegeben von der Gesellschaft für Geschichte- und-Alterthumskunde der Ostseeprovinzen' Russlands. Fünfzehnter Band.  Mit 1 lithographirten Tafel.  Riga, 1893. Nicolai Kymmels Buchhandlung

Als Quelle dafür wird wiederum angegeben:
Bestallungen der Stadtuhrmacher 1588—1643, Convolut im sogen, äussern Rathsarchive.

Nach all diesen Informationen ist davon auszugehen, dass der Uhrmacher Pfaundler sein Handwerk gut verstand und seine Arbeit gewürdigt wurde.

Kommen wir auf die Karossen-Uhr zurück, die im Folgenden in Wort und Bild vorgestellt wird und bis vor Kurzem im Besitz eines dänischen (ehem.) Landadeligen war.

Das einzigartige Gehäuse aus Silber ist aufwändig durchbrochen gearbeitet und zeigt auf all seinen Flächen, fast ohne jeden Freiraum, Figuren und Darstellungen in feinster und detaillierter Ausformung. So zeigt der Deckel einen Posaune spielenden Engel im Zentrum. Umgeben wird er von einer Vielzahl verschlungener Körper von Drachen und Ungeheuern.

Die Szene findet sich in ähnlicher Form auf Darstellungen der Apokalypse, die von Künstlern der damaligen Zeit auf Kupferstichen verbreitet wurde.  

Auf einer Münze von 1641 (Stadt. Silbermedaille 1641, von S. Dadler, auf den Genfer Reformator Johann Calvin (*1509, †1564) und das hundertjährige Jubiläum seiner Rückkehr aus dem Exil nach Genf im Jahr 1541. Brustbild Calvins r. mit langem Bart, Klappmütze und umgelegtem Pelzmantel, umher Blätterkranz//Geflügelter Genius mit Posaune und aufgeschlagenem Buch v. v., den Kopf nach r. gewandt, den r. Fuß auf einen Quaderstein mit der Aufschrift VIRTUS gestellt, zu den Seiten Rosen- und Lorbeerstrauch. 55,59 mm; 41,22 g.) findet sich das Motiv des Posaune spielenden Engels.

Seitlich sind die Themen Philosophie, Poesie, Geographie und Geometrie dargestellt. Diese Wissensgebiete wurden zu der Zeit vornehmlich studiert und u.a. auch auf Kartenspielen der Bevölkerung  nahe gebracht.

Der Boden des Gehäuses zeigt eine gravierte Abbildung eines Gelehrtenzimmers mit wissenschaftlichen Instrumenten.

Das dezentrale Zifferblatt ist aus Silber gefertigt und zeigt eine gravierte ländliche Dorflandschaft, die Eisenzeiger für Stunde und Minute sind wohl original. Vergleichbar große Uhren aus der Zeit haben zum Teil auch schon den Minutenzeiger. Der obere Bereich des Zifferblattes ist graviert mit Themen der Astrologie.

Das Werk ist ein Vollplatinenwerk aus Messing, ist wohl um 1640-45 gefertigt worden und zeigt alle Merkmale dieser Zeit. Später wurde die Unrast getauscht gegen eine Unruh mit Feder und erhielt dabei auch eine primitive Regulierung.

Mit dem Stundenschlagwerk verfügt die Uhr über einen präzise arbeitenden und wohlklingenden Zusatzmechanismus.

Zum Schluss die Maße dieses ungewöhnliche Stückes:

Größe:  breit 111 mm – hoch 115 mm – mit Pendant und Ring 145 mm – tief 63 mm

Gewicht: 1220 g

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