Historische Taschenuhren von 1550 - 1830
Kutschenuhren
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Kutschenuhr mit Halbstunden- / Stundenselbstschlag und Wecker
Abraham Yver, Angoulême ca. 1670
Gehäuse:
feuervergoldet, feinst graviert und floral durchbrochen gearbeitet, gravierte Lunette mit Akanthuszierband, großes Außenscharnier bei der Zwölf, kugelförmiger Pendant.
Zifferblatt:
feuervergoldet, Champlevé Technik, dezentraler Ziffernring mit radialen römischen Stundenzahlen, Minutenskala in 5er-Schritten, aufwändig floral gravierte Ornamente, fein geschnittene Eisenzeiger, Aufzug vom Zifferblatt bei der Eins für das Gehwerk – bei der Vier für den Selbstschlag und bei der Sieben für den Wecker,
signiert: Abraham Yver a Angoléme.
Werk:
feuervergoldetes Vollplatinenwerk mit konischen Werkspfeilern, feinst floral gravierter, durchbrochen gearbeiteter Unruhkloben, Spindelhemmung mit Kette und Schnecke, gebläute Schrauben, zwei mit Ranken versehene, gravierte, durchbrochen gearbeitete Federhäuser für Wecker und Selbstschlag, Schlossscheibe für Schlagwerk, 2 Hämmer, Bodenglocke, dreiarmige Eisenringunruh, silberne Regulierscheibe,
signiert Abraham Yver a Angoléme
Maße:
Höhe 84 mm ( ohne Pendant 68 mm), Breite 68 mm, Dicke 42 mm, Gewicht 270 gr
Literatur: Antiquorum 23.05.1988 S. 39 + 10.04.1994 S. 186
Abraham Yver (auch Hyver oder Yuer), Angouléme/Frankreich ca. 1620 bis 1680
Diese Uhr kommt von einem sehr interessanten Uhrmacher, dem Mitglied einer sehr angesehenen Uhrmacherfamilie innerhalb der Uhrmachergemeinschaft von Angoulème. Über die Person des Abraham Yver gibt es vergleichsweise wenig gesicherte Daten in den Aufzeichnungen. In einer davon ist überliefert, daß er ( „ maitre orlogeur“) am 1.12.1689 Großvater von *Marie Anne* wurde, der Tochter von Elie Yver und Jeanne Roy. Das ist überliefert aus Kirchenbüchern des Kirchspiels von St. André. Dieser Elie Yver, ebenfalls „maitre orlogeur“, wohnte in der Gemeinde Saint Antonin und hatte am 22.2.1689 Jeanne Roy geheiratet. Später wurde er 1. Stadtrat in Angouléme und verstarb am 10.8.1744 im Alter von 83 Jahren. Weitere Mitglieder der Familie Yver sind in den folgenden Dokumenten erwähnt: Die Taufe von *Francois*, dem Sahn von Jean Yver, welcher als „ maitre orfaivre“ bezeichnet wurde, fand am 15.7.1692 statt in der Gemeinde St. André. In der Gemeinde St. Paul wurde *Antoinette* am 1.9.1699 getauft. Sie ist eine Tochter von Isaac Yver „maitre horlogeur“ aus Angouléme.
Der Tod von Isaac Yver ist im Jahre 1702 erwähnt. Einige Jahre später gibt es einen Eintrag von der Taufe des *Francois* am 18.2.1727, Sohn des Francois Yver „maitre orlogeur“ und seiner Frau Marie Boitet. Weitere Erwähnungen dieser Uhrmacherfamilie kommen aus der Zeit um 1790, sollen hier aber keine Rolle mehr spielen. Im Jahre 1698 erschien: „Mémoire sur le Généralité de Limoges“. Dort kann man u.a. finden, daß die bekannte Uhrmacherfamilie Yver aus Angouléme allergrößte Reputation in royalen Kreisen und in den Gemeinden Saintes, Blois, Poitiers und anderen Städten besaß. Die Familienmitglieder waren fast alle Protestanten und es gab auch familiäre Verbindungen zu den Uhrmacherfamilien von Blois.
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Karossenuhr mit Stunden-Selbstschlag und Stackfreed
wohl Süddeutschland um 1600
Gehäuse:
feuervergoldete Bronze, bandförmiger Rand ist 25 mm hoch und nimmt das Werk und die Glocke auf. Rand ist durchbrochen und zeigt Bandmotive, Gehäuse-Rückseite wie das gesamte Gehäuse und die Deckel durchbrochen gearbeitet. Typisches Renaissance-Rankenwerk mit floralen Motiven. Der Deckel weist florale Elemente und herzförmige Durchbrüche auf. Der kugelförmige Pendent ist aus einem Stück Messing herausgearbeitet, darin befindet sich ein 20mm großer Tragering.
Zifferblatt:
Die Zifferblattseite zeigt diverse Indikationen und wird im Kunsthandwerk mit „astronomischen Anzeigen“ vorgestellt. Ein äußerer silberner Ring zeigt am Rand umlaufend die Stunden des ganzen Tages in römischen Zahlen von I bis XII und weiter wiederum von I bis XII an. Die halben Stunden sind durch senkrechte Striche mit einem Punkt als Abschluß bezeichnet. Danach schließt sich die nächste Anzeige mit Viertelstundenkennungen an. Die abschließende Anzeige auf dem silbernen Ring zeigt umlaufend als Besonderheit die 24 Tagesstunden fortlaufend von 1-24 in arabischen Zahlen an. So etwas war nur im Regionalbereich in und um Nürnberg üblich. Die Zwei in Form eines „Z“ verweist eindeutig auf einen süddeutschen Herstellungsort. Dieser silberne Ring ist fest und bewegt sich nicht. Im Folgenden ist eine vergoldete Messingscheibe zu erkennen, die sich im Uhrzeigersinn bewegt. Und zwar dreht sie sich in 30 Tagen 29 mal. Die außen herum gravierten arabischen Zahlen von 1-29 ½ zeigen den Mondkalender, hier einen synodischen Mondmonat (genaueres bei www.timeanddate.de). Die Anzeige erfolgt über den kleinen Knopf über dem Fenster, welches die Mondphasen (Neumond, Halbmond und Vollmond) anzeigt. Diese zentrisch angebrachte, oberste Scheibe ist mittig mit einer originalen quadratischen Schraube gesichert. Dem Fenster gegenüber ist der Eisenzeiger für die Stundenanzeige angebracht. Diese Scheibe ist flächig mit den Aspekten und deren Winkeln graviert.
Werk:
Spindelwerk mit Stundenschlagwerk ohne Schnecke. Zum Ausgleich der Federkraft wird das Stackfreed genutzt. Der bogenförmig gestaltete Spindelkloben aus Eisen ist mit einer Schraube befestigt. Die 2schenkelige Löffelwaag (ohne Spiralfeder) wird in der Bewegung begrenzt durch einen Regulierungshebel aus Eisen mit zwei Prellzapfen aus Schweinsborsten. (Bei etwa 50 % aller bekannten Halsuhren dieser Zeit kam die Löffelwaag (Foliot) zur Verwendung.)
Darüber ist die Aufzugswelle mit 8-zahnigem Trieb angeordnet. Das Trieb greift in das Stackfreedrad ein und macht 3 ½ Drehungen bis die Begrenzung (stehengelassenes Material an der Zahnung) erreicht ist. Ein Überdrehen der Aufzugsfeder wird so vermieden. Auf der Aufzugsfeder ist die Kurvenscheibe verschraubt. Die Kurvenscheibe hat hier die Form einer ausgeprägten Niere. An der Kurvenscheibe liegt die Stackfreedfeder stramm an. Sie ist in einem starken C geformt und besitzt an der Spitze ein kleines Rad, um den Reibungsmoment gleichmäßig zu halten beim Bremsvorgang. Daneben ist die Schloßscheibe für den Stundenschlag mit dem eingreifenden Stopphebel zu sehen. Die beiden Aufzugsfedern werden eingefaßt von zylindrigen Pfeilern und besitzen keine Federhäuser.
Signatur: PH
Maße:
Höhe: incl. Pendant 125 mm - Gehäuse incl. Scharnier 85 mm,
Breite: max. 85 mm, Tiefe: 41 mm, Gewicht: 619 g
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Karossenuhr mit Stundenselbstschlag
Michael Pfaundler, Innsbruck ca. 1640
Gehäuse: Das einzigartige Gehäuse aus Silber ist aufwändig durchbrochen gearbeitet und zeigt auf all seinen Flächen, fast ohne jeden Freiraum, Figuren und Darstellungen in feinster und detaillierter Ausformung. So zeigt der Deckel einen Posaune spielenden Engel im Zentrum. Umgeben wird er von einer Vielzahl verschlungener Körper von Drachen und Ungeheuern. Die Szene findet sich in ähnlicher Form auf Darstellungen der Apokalypse, die von Künstlern der damaligen Zeit auf Kupferstichen verbreitet wurde. Seitlich sind die Themen Philosophie, Poesie, Geographie und Geometrie dargestellt. Der Boden des Gehäuses zeigt eine gravierte Abbildung eines Gelehrtenzimmers mit wissenschaftlichen Instrumenten.
Zifferblatt: Das dezentrale Zifferblatt ist aus Silber gefertigt und zeigt eine gravierte ländliche Dorflandschaft, die Eisenzeiger für Stunde und Minute sind wohl original. Vergleichbar große Uhren aus der Zeit haben zum Teil auch schon den Minutenzeiger. Der obere Bereich des Zifferblattes ist graviert mit Themen der Astrologie.
Werk: Das Werk ist ein Vollplatinenwerk aus Messing, wohl um 1640-45 gefertigt worden und zeigt alle Merkmale dieser Zeit. Später wurde die Unrast getauscht gegen eine Unruh mit Feder und erhielt dabei auch eine primitive Regulierung. Mit dem Stundenschlagwerk verfügt die Uhr über einen präzise arbeitenden und wohlklingenden Zusatzmechanismus.
Maße: Größe: breit 111 mm – hoch 115 mm – mit Pendant und Ring 145 mm – tief 63 mm Gewicht: 1220 g
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Kleine Karossenuhr für den chinesischen Markt
Timothy Williamson, London ca. 1785
Gehäuse:
glattes feuervergoldetes Messing-Gehäuse mit floralen Durchbruchselementen im Randbereich, die Lünette geschmückt mit Schmucksteinbesatz und Orientperlen. Rückseite im Zentrum glatt. Innengehäuse feuervergoldetes Messing, in ähnlicher Weise wie das Übergehäuse gearbeitet mit gesägten und ziselierten Schmuckelementen wie Ranken, Delphinköpfen und einem Maskaron im Randbereich. Rückseitig eine Blumengravur und zwei Aufzugslöcher für das Gangwerk und den Stunden-Selbstschlag. Im Gehäuseboden ist die Glocke für den Selbsschlag montiert.
Zifferblatt:
weißes Emailzifferblatt mit römischen Stundenangaben, arabischen Minuten von 5–60, Goldzeiger, die Sekundenanzeige ist mit Stoppfunktion über Hebel bei der Sieben ausgerüstet. Ein weiterer Hebel bei der Zwei betätigt den Stop des Schlagwerkes.
Werk:
feuervergoldetes Vollplatinenwerk aus Messing im Gehäuse mit Scharnier bei der Zwölf befestigt, glatte zylindrische Pfeiler, floral gestalteter Spindelkloben aus vergoldetem Messing mit gebläuter Schraube befestigt, silberne Regulierscheibe in großflächiger, ziselierter Verzierung, wobei eine gravierte Hand als Index dient. Antrieb über Federhaus, Kette und Schnecke, Spindelhemmung,
Signatur Tim. Williamson London 2496
Maße:
Höhe 86 mm (ohne Pendant 64 mm), Breite 63 mm, Dicke 30 mm,
Gewicht 181 g
Literatur:
Stolberg, Die Kutschenuhr
Kemal Özdemir, Ottoman Clocks and Watches
Timothy Williamson
Diese beeindruckende Karossenuhr ist ein charakteristisches Beispiel für Uhren, die für den Export nach China produziert wurden, ein Markt zu dem Williamson prominente Beziehungen pflegte. Timothy Williamson wurde zum Goldschmied ausgebildet und führte wohl die Gestaltung und die Gravuren seiner unverwechselbaren Gehäuse selbst durch. Die Werke allerdings wurden vermutlich von William Hughes geliefert, mit dem Williamson eng verbunden war, wie Roger Smith in einem Artikel für Antiquarian Horology deutlich gemacht hat (Nr. 5, Vol. 30, März 2008, S. 643). In Brittens Buch "Old Clocks and Watches and Their Makers" wird Timothy Williamson als tätig in London in der Zeit von 1769 bis 1788 aufgeführt, zuerst in der Fleet Street und später in der Great Russell Street. Er belieferte u.a. auch den Kaiser von China.
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Karossenuhr mit emailliertem Übergehäuse
Timothy Williamson, London ca. 1785
Gehäuse:
glattes feuervergoldetes Messing-Gehäuse mit floral graviertem und ziseliertem Übergehäuse. Dieses ist auf der Rückseite mit großem (67 mm) Emailbild dekoriert. Die polychrome Emailmalerei stellt vermutlich Roxalena sitzend auf dem Diwan dar. Gehäusepunze 95
Zifferblatt:
weißes Emailzifferblatt mit römischen Stundenangaben, arabischen Minuten von 5–60, Goldzeiger, die Sekundenanzeige ist mit Stoppfunktion über Hebel bei der Neun ausgerüstet.
Werk:
feuervergoldetes Vollplatinenwerk aus Messing im Gehäuse mit Scharnier bei der Zwölf befestigt, glatte zylindrische Pfeiler, floral gestalteter Spindelkloben aus vergoldetem Messing mit gebläuter Schraube befestigt, zentraler großer Diamantdeckstein für die Spindelwelle, silberne Regulierscheibe in großflächiger, ziselierter Verzierung, wobei eine gravierte Volutenspitze als Index dient. Antrieb über Federhaus, Kette und Schnecke, Spindelhemmung,
Signatur Tim. Williamson London 3195
Maße:
Höhe 122 mm (ohne Pendant 98 mm), Breite 98 mm, Dicke 37 mm,
Gewicht 490 g
Literatur:
Stolberg, Die Kutschenuhr S. 211, S. 258,
Kemal Özdemir, Ottoman Clocks and Watches
Sammler Journal 11-2009 S. 62
Faszinierende Sultanin Roxalena
Als russische Sklavin kam sie in den Harem des Topkapi Palastes, stieg dann zuerst zur kaiserlichen Konkubine auf und wurde schließlich zu einer der mächtigsten Frauen des Osmanischen Reiches. Das Archiv im Topkapi-Palast beherbergt eine Fülle von Dokumenten, die von den osmanischen Historikern am Hofe niedergeschrieben und von Miniaturmalern bebildert wurden.
Sie war die erste Frau, die einen Sultan vor dem Gesetz heiratete und die uneingeschränkte Kontrolle über ihren Ehemann, Sultan Süleyman den Prächtigen, und das Osmanische Reich hatte.
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Goldene Karossenuhr mit Übergehäuse
William Vale, London ca. 1770
Gehäuse:
glattes, feuervergoldetes Messing-Gehäuse mit floral graviertem und ziseliertem Übergehäuse, dieses ist an der Rückseite im Zentrum mit Früchten, Bogen, Pfeilen, Köcher und Trompete dekoriert, vorn umlaufende Girlande aus weißen, grünen und roten Farbsteinen, Gehäusepunze T. A.
Zifferblatt:
weißes Emailzifferblatt mit kräftigen römischen Stundenangaben, arabischen Minutenanzeige von 5 – 60, gebläute Stahlzeiger in Pfeilform, die Sekundenanzeige ist mit Stoppfunktion über Hebel bei der 9 ausgerüstet.
Werk:
feuervergoldetes Vollplatinenwerk aus Messing im Gehäuse mit Scharnier bei der Zwölf befestigt, glatte zylindrische Pfeiler. Floral gestalteter Spindelkloben aus vergoldetem Messing, gebläute Schraube. Silberne Regulierscheibe eingebettet in großflächiger, gravierter Verzierung, wobei der Finger einer Hand als Index dient. Antrieb über Federhaus, Kette und Schnecke, Spindelhemmung. Eine Besonderheit stellt das Kronrad mit horizontaler und vertikaler Zahnung dar.
Signatur Wm. Vale, London No. 1245.
Maße:
Höhe 120 mm (ohne Pendant 95 mm), Breite 95 mm, Dicke 40 mm,
Gewicht 545 g.
Literatur:
Stolberg, Die Kutschenuhr
Kutschenuhren
auch Karossen- oder Satteluhren genannt, waren große Reiseuhren in der Form einer Taschenuhr. Die durchschnittliche Größe lag bei etwa 12 cm Durchmesser. Sie waren ausgerüstet mit Wecker, Repetition sowie Viertel- und Stundenselbstschlag. Sie wurden überwiegend zwischen 1700 und 1785 hergestellt.
Diese sehr gesuchten Uhrentypen waren z.B. in Augsburg als Meisterstück vorgeschrieben.